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Das Wrack des griechischen
Handelsschiffs vor Antikythera wurde Ostern 1900 in einer Tiefe von etwa 40
Metern gefunden. Zahlreiche Statuen und andere Kunstschätze wurden geborgen
und in das Archäologische Nationalmuseum nach Athen gebracht. Dort entdeckte
der Archäologe Valerios Stais am 17. Mai 1902 in einem Klumpen aus
korrodiertem Material ein Zahnrad.
Der Mechanismus, hergestellt aus Bronze und wahrscheinlich ursprünglich von
einem Holzgehäuse umgeben, ist die älteste erhaltene Zahnrad-Apparatur. Der
Fund hat unter Wissenschafts- und Technik-Historikern große Irritationen
ausgelöst. Am meisten Akzeptanz hat die Theorie gefunden, den Mechanismus
als eine Art Analogrechner zu verstehen, dessen Zweck darin bestand, die
Bewegungen der Himmelskörper zu berechnen. Neuere funktionierende
Rekonstruktionen der Apparatur bestätigen diese These. Das Gerät ist
besonders erstaunlich, weil es ein Differentialgetriebe enthält, das nach
der herkömmlichen Meinung erst im 13. Jahrhundert erfunden wurde. |
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Derek de Solla Price
Eine Teilrekonstruktion des Mechanismus von Antikythera wurde von dem
australischen Informatiker Allan George Bromley (1947–2002) und dem
Uhrmacher Frank Percival aus Sydney hergestellt. Aus diesem Projekt ergab
sich die Notwendigkeit einer noch genaueren Röntgenanalyse des
Original-Mechanismus, die Bromleys Student Bernard Gardner 1993 unternahm.
Dem Engländer John Gleave gelang später ein funktionierendes Replikat des
Antikythera-Mechanismus. Dieser Rekonstruktion zufolge kann man von einem
Zeiger an der Vorderseite der Apparatur den jährlichen Lauf von Sonne und
Mond durch den Tierkreis ablesen, wobei die Monatsnamen dem ägyptischen
Kalender entnommen sind. Auf der Rückseite sind zwei Anzeige-Scheiben zu
finden: Die erste zeigt eine Vier-Jahres-Periode, verknüpft mit dem
Metonischen Zyklus von 235 synodischen Monaten, der 19 Sonnenjahren
entspricht. Ein synodischer Monat ist die Zeitspanne zwischen zwei
Neumonden. An der zweiten Anzeige-Scheibe kann man den Zyklus eines
einzelnen synodischen Monats ablesen, an einem zweiten Zeiger das Mondjahr
der zwölf synodischen Monate.
Michael Wright, der Kurator des Science Museum in London, fertigte zusammen
mit Bernard Gardner 2002 eine weitere Rekonstruktion an.
Der Mechanismus von Antikythera befindet sich, ergänzt um eine
Rekonstruktion, im Archäologischen Nationalmuseum in Athen. Weitere
Rekonstruktionen befinden sich im Astronomisch-Physikalischen Kabinett in
Kassel und im American Computer Museum in Bozeman, Montana. |
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2005 begann man eine neue groß angelegte Untersuchung des Mechanismus.
Ein wichtiges Ergebnis dieser neuesten Untersuchung ist die Entdeckung einer
geschriebenen Gebrauchsanweisung, die auf den Zahnrädern des Gerätes
eingeritzt ist. Der Mechanismus stamme aus dem ersten vorchristlichen
Jahrhundert und sei nach ersten Vermutungen auf der Insel Rhodos vom
griechischen Astronomen Poseidonios konstruiert worden.
Die Untersuchung ist ein Gemeinschaftsprojekt der University of Wales
(Cardiff), der Nationalen und Kapodistrias-Universität Athen, der
Aristoteles-Universität Thessaloniki, des Archäologischen Nationalmuseums in
Athen, X-Tek Systems und Hewlett-Packard (HP), gefördert von der Stiftung
Leverhulme Trust und der Kulturstiftung der National Bank of Greece.
Da der Mechanismus aus konservatorischen Gründen nicht aus dem Museum
entfernt werden kann, haben das HP-Forscherteam und X-Tek Systems den „PTM
Dome“, einen 7,5 Tonnen schweren 450-kV-Microfocus-Tomographen, vor Ort
installiert.
Am 30. Mai 2006 wurde berichtet, dass nun 2000 statt bisher 1000 Zeichen
entschlüsselt sind, das entspricht 95 Prozent des gesamten erhaltenen
Textes. „Große Teile der Mathematik-Geschichte und der Astronomie müssen
umgeschrieben werden“, behauptete Xenophon Moussas von der Universität
Thessaloniki, der die Entdeckungen im Juni 2006 im Internet veröffentlichte.
Im November 2006 wurde ein Symposium zu den Ergebnissen des Projektes
abgehalten. Zu den Ergebnissen des Symposiums, veröffentlicht im
Wissenschaftsmagazin Nature, gehört die Erkenntnis, dass der Mechanismus
über Instruktionen und damit offenbar über Vorrichtungen zur relativ genauen
Vorausberechnung von Sonnen- und Mondfinsternissen verfügte. Als erste
bekannte komplexe Rechenmaschine war der Mechanismus überraschend genau und
komplexer im Aufbau als jedes andere technische Instrument in den folgenden
tausend Jahren. Das technische Vermögen im antiken Griechenland muss demnach
um ein Vielfaches bedeutender gewesen sein als bislang angenommen.
2008 wurde auch die Rückseite der Konstruktion vom Antikythera Mechanism
Research Project genauer untersucht und interpretiert. Eine Skalenscheibe
auf der Rückseite stellt demnach einen metonischen Kalender dar. Dabei
konnte man die Namen der Monate identifizieren und feststellen, dass diese
korinthischen Ursprungs sind. Es wird nun angenommen, dass der Mechanismus
aus Korinth oder einer korinthischen Städtegründung, wie Syrakus, stammt.
Außerdem wurde eine Scheibe neu interpretiert, die nach neuen Erkenntnissen
den 4-jährigen Olympia-Rhythmus darstellt. Die Scheibe wurde in einem Jahr
genau um ein Viertel gedreht. Bisher wurde angenommen, dass das Zahnrad
einen kallipischen Zyklus darstellt. |