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Viele
Zeitgeist-Kritiker beklagen, dass die Zeit der großen Kunstwerke endgültig
und für immer vorbei sei. Wer baut heute so etwas wie die Kathedrale von
Notre-Dame?
Wer
fertigt Gemälde an, wie sie in der Sixtinischen Kapelle zu sehen sind? Wer
komponiert ein Heldenstück wie die Götterdämmerung? Doch andere meinen, das künstlerische
Schaffen der Menschen hätte sich in unserer Zeit auf andere Bereiche verlagert.
Zu den größten Kunstwerken, so die Meinung dieser aufgeschlossenen
Zeitgeist-Interpreten, gehören die modernen Mikroprozessoren. Wer sich den
Lageplan eines solchen Prozessors einmal angesehen hat, kann diese Auffassung
bestätigen.
Aber Mikroprozessoren - die winzigen Tierchen, die unsere Computer zum Laufen
bringen - wurden nicht als Kunstwerke konzipiert. Sie dienen ganz bestimmten
Zwecken: Sie sollen unsere Rechner schneller und leistungsfähiger machen. Und
das haben sie in einem Maße erreicht, wie es in der Technikgeschichte
einzigartig ist. Es gibt die Rechnung, wonach die Leistungsfähigkeit der
winzigen Elektronengehirne
in
den
zehn Jahren von 1970 bis 1990 so enorm gestiegen ist, dass im Vergleich dazu ein
Auto nur noch so groß wie eine Streichholzschachtel wäre, nur noch 10 Mark
kosten würde und mit einem Tropfen Benzin tausend Kilometer fahren könnte.
Dabei sind die nächsten zehn Jahre noch gar nicht berücksichtigt.
Doch wir können vernünftigerweise nur die Rechenleistung von Computergehirnen
miteinander vergleichen In Amerika begann die Geschichte der Datenverarbeitung
mit
der
monströsen
ENIAC aus dem Jahre 1946. Mit 18 000 Radioröhren und einer Platzbedarf von
ungefähr 15 mal 15 Mete leistete sie etwa so viel wie die ersten elektronischen
Taschenrechner, die mit Transistoren bestückt waren. Der Platzbedarf
verringerte
sich
etwa
um den Faktor 1 : 1 Milliarde, der Energiebedarf sank auf ei Millionstel, so
dass insgesamt ... Aber unter
solchen Zahlen können wir uns ohnedies nichts vorstellen. Schauen wir uns
lieber an, wie es zur Entwicklung der modernen Mikroprozessoren kam.
Es waren zwei Erfindungen, die den gewaltigen Aufschwung der Mikroelektronik überhaupt
erst möglich gemacht haben. Zum einen wurden die großen, stromfressenden und
hitzeerzeugenden Röhren durch kleine, kühle, energiesparende Transistoren
ersetzt. Aber erst als es den Ingenieuren Jack Kilby und Robert Noyce unabhängig
voneinander gelang, einzelne Transistoren durch feine Germanium bzw. Silicium geätzte
Strukturen zu ersetzen, erst da war es möglich, zunächst Dutzende. später
Zehntausende, heute Millionen von Transistoren auf einem fingernagelgroßen Plättchen
aus Silicium zu vereinen Der moderne Mikroprozessor war geboren. Die Firma
Intel, von Noyce mitbegründet, wurde dabei zum Marktführer. Dazu hatte
wesentlich auch IBM beigetragen. Denn als diese Computerfirma sich entschloss,
ebenfalls einen Personal Computer auf den Markt zu bringen, da entschied sie
sich für Prozessoren von Intel. So begann der unaufhaltsame und bisher
krisenlose Aufstieg der Prozessor-Familie, die irgendwo im Namen eine »8« hat:
8008 (1972), 8080 (1974), 8086 (1978; 29 000 Transistoren), 80286 (1982; 134 000
Transistoren), 80386 (1985; 275 000 Transistoren), 80486 (1989; 1,2 Millionen
Transistoren).
Und im März 1993 - nein, nicht der 80586, sondern ein neuer Name: Pentium, der
fünfte, doppelt so schnell wie der Vorgänger, mit fast dreimal so vielen
Transistoren (3,1 Millionen), das sind etwa 15 000 Schaltelemente pro
Quadratmillimeter. Ist er tatsächlich etwas ganz Neues, wie die Entwickler
behaupten? Im Prinzip nein, würde Radio Jerewan antworten, aber ... Um das zu
entscheiden, schauen wir uns einfach an, was dieser Prozessor alles macht und
wie er sich von seinen Vorgängern unterscheidet.
Betrachtet man das Foto des Prozessors (siehe vorige Seite), dann fällt auf,
dass es Abschnitte gibt, die sehr gleichmäßig aussehen, wie Ackerflächen von
oben. Zum Beispiel ist fast die ganze linke Seite von gleichförmigen Flächen
durchzogen. Andere Stellen dagegen erscheinen sehr differenziert, beispielsweise
das Feld in der Mitte oben mit der Bezeichnung »Befehls-Interpreter«, oder der
Teil rechts oben mit der Bezeichnung »Verzweigungsvorhersage«. Der Grund für
diese sichtbaren Unterschiede: Gleichmäßige Flächen bestehen aus gleichen
Zellen, nämlich aus Speicherzellen. Ungleichmäßige Flächen sind aus vielen
verschiedenen Elementen aufgebaut, nämlich den eigentlichen Steuer- und
Recheneinheiten, also dem »Gehirn« des Chips.
Der erste Blick auf den Chip überrascht also: Der Großteil des Prozessors
besteht aus passivem Speicher! Das eigentliche Gehirn, also der aktive Teil, nimmt nur 8 Prozent der gesamten
Chipfläche ein. Diesen Teil nennt man »Central Processing Unit«,
Zentraleinheit des Prozessors, abgekürzt CPU. Doch wozu braucht man dann den Rest?
Man kann einen Mikroprozessor mit einer Firma vergleichen. Wird die Firma neu
gegründet - das entspricht der Erfindung des Mikroprozessors in den sechziger
Jahren -, dann kommt es vor allem auf die Ideen und Einfälle des Unternehmers
und der Firmenleitung an. Die Firmenleitung entspricht der CPU Mit anderen
Worten: In der Frühzeit der Mikroprozessoren bestand ein Chip hauptsächlich
aus der CPU.
Wächst die Firma, verliert der tägliche Ideenstrom des Firmengründers seine
Bedeutung. Wichtiger werden jetzt interne Organisation, Lagerhaltung (entspricht
dem Speicher), Vertrieb, Marketing, Finanzplanung und Strukturierung des
Gesamtablaufs. Das sind alles Dinge, die mit dem eigentlichen Produkt der Firma
- im Falle des Mikroprozessors sind das Zahlen - gar nichts zu tun haben.
Verwaltung geht vor Kreativität, so könnte man die Entwicklung bei einer
Firma, aber auch im Bereich der Mikroelektronik, nennen. Doch eine gut
durchdachte Verwaltung führt auch zu einer hohen Steigerung der Effektivität.
Damit wir uns nicht im Allgemeinen verlieren, stürzen wir uns am besten mitten
ins Geschehen, das wir in extremer Zeitlupe betrachten müssen. Denn jeder
Prozessor hat einen internen Takt, genauso wie das menschliche Nervensystem.
Dieser Takt wird durch einen Zeitgeber (einen schwingenden Quarzkristall)
vorgegeben. Ein Takt ist die kleinste Zeiteinheit, in der eine Operation
ablaufen kann. Zum Beispiel In einem solchen Zeittakt wird ein Bit, also eine
Informationseinheit, von einem Speicherplatz zu einem anderen befördert, oder
ein Bit wird zu einem anderen addiert.
Der Zeitgeber des Pentium schwingt mit 66 Megahertz (MHz), und das ist doppelt
so schnell wie sein Vorgänger. So könnte man naiver weise annehmen, dass er
auch doppelt so schnell »denkt« wie sein Vorgänger. Das stimmt tatsächlich.
Aber die Taktfrequenz ist nur ein Teil dieser Leistungsverbesserung. Ein Taktlänge
ist der 66millionste Teil einer Sekunde, das liegt in der Größenordnung von
einer hundertmillionstel Sekunde. Wir müssen also schwer aufpassen, wollen wir
mitkriegen, was sich da alles abspielt.
Und was geschieht in einem Takt? Wir sagten es schon: Ein Befehl wird ausgeführt.
Doch das stimmt im allgemeinen nicht. Befehle sind nicht so simpel; viele von
ihnen enthalten mehrere Schritte. Das verzögert die Ausführung, denn andere
Befehle warten, bis der erste Befehl korrekt zu Ende bearbeitet wurde.
Deshalb erfanden die Hersteller von Großrechnern und »Workstations« (sehr
schnelle Spezialrechner für Grafik Aufgaben) eine neue Form der Befehlsausführung,
die sie RISC nannten. Das hat nichts mit Risiko zu tun. Im Gegenteil. Es
bedeutet wie üblich in der Datenverarbeitung, eine Abkürzung, nämlich »Reduced
Instruction Computing«, also einen
reduzierten Befehlssatz. Die Reduktion besteht darin, dass nur noch Befehle
zugelassen werden, die in einem einzigen Takt vollständig ausgeführt werden können.
Dadurch wird alles viel schneller. »RISC« wurde das Zauberwort der achtziger
Jahre wer es aussprach, hatte im harten Wettbewerb der Computerfirmen gewonnen.
Doch die Firma Intel hatte keinen RISC-Prozessor.
Sollte man dieses Verfahren in den Pentium einbauen? Innerhalb der Firma
entbrannte ein großer Streit. Es wäre nicht schwierig gewesen, alle
Instruktionen zu vereinfachen. Nur: Die bisherigen Programme wären dann nicht
mehr gelaufen. So einigte man sich auf einen Kompromiss, vereinfachte manche
Befehle, achtete aber immer auf »Kompatibilität«, das heißt darauf, dass
alle bisherigen Befehle auch weiterhin vom Prozessor verstanden wunden.
Doch zurück zu dem, was innerhalb eines Prozessors geschieht. Will man das
beschreiben, muss man Vergleiche ziehen, sonst wird die Sache zu abstrakt. Aber
womit sollen wir die Vorgänge innerhalb eines Elektronengehirns gleichsetzen?
Die Bezeichnung, auch wenn sie unberechtigt ist, legt es nahe, eiern
Mikroprozessor mit den Vorgängen mit menschlichen Gestirn zu vergleichen. Doch
diesen Vergleich bringt nichts. »Hardware« (materielle Grundlagen der
Datenverarbeitung) und »Software« (Art der Programmierung) sind zu
verschieden.
Erstaunlicherweise führt ein anderer Vergleich zum Erfolg, nämlich der mit dem
Straßenverkehr: Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein großes Möbelkaufhaus im
Industrieviertel einer Kleinstadt in der Nähe der Autobahn besuchen.
Dazu steigen Sie in Ihr Auto, fahren es aus der Tiefgarage und begeben sich
frohgemut auf die Autobahn. Obwohl Ihr Wagen mühelos 220 Stundenkilometer
schafft, müssen Sie im Schneckentempo vorwärts kriechen, denn die Fahrbahnen
sind auf dieser Strecke und zu dieser Zeit natürlich wieder mal total
verstopft, Der Stau ist auf dem Kaufhaus-Gelände leider nicht zu Ende.
Zwar wurden die Wege dort schon so schmal wie möglich angelegt - schmaler
geht's nicht -, aber es sind immer noch zu wenige.
Endlich im Kaufhaus angekommen, parken Sie Ihr Gefährt in der geschäftseigenen
Tiefgarage. Dann holen Sie sich einen Katalog und versuchen herauszufinden, wo
die von Ihnen gewünschten Gegenstände zu finden sind. Haben Sie alles
zusammen, zahlen Sie an der Kasse (glücklicherweise gibt es mehrere davon),
gehen dann zur Warenauslieferung, holen Ihren PKW, fahren ihn kurz zum Beladen
vor und verlassen das Kaufhausgelände, um frohgemut die Autobahn für den
Heimweg zu benutzen. Aber leider sind Sie nicht der einzige, so dass Sie wieder
in einen Stau geraten.
Jetzt übertragen wir das alles auf den Mikroprozessor. Den eigenen PKW
identifizieren wir mit Daten, im allgemeinen also Zahlen. Genauer gesagt: Bits,
also Nullen oder Einsen. Alles fängt damit an, dass der Prozessor sein erstes
Datum aus dem Arbeitsspeicher holt. Das wird der erste Befehl für ein Programm
sein, aller Wahrscheinlichkeit nach für das Betriebssystem, also das Programm,
das alles verwaltet. Der Arbeitsspeicher ist ein eigener Bauteil; er befindet
sich also nicht auf dem Prozessor-Chip. In unserem Vergleich entspricht eine
Zelle des Arbeitsspeichers unserer »Zelle« in der Tiefgarage.
Nun gelangen die Daten überreine relativ lange Leitung vom externen
Arbeitsspeicher zum Prozessor. Diese Leitung nennt man »Bus«. Der Datenbus
entspricht der Autobahn. Und auch die Probleme sind die gleichem Der Bus ist
meist viel zu langsam und immer verstopft. Wirkliche
Geschwindigkeitsverbesserungen erhält man bei Mikroprozessoren nur dadurch,
dass man den Bus verbreitert - genau wie bei der Autobahn: je mehr Spuren, desto
mehr Verkehr kann fließen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit eines Staus.
Und erst dann, wenn die Autobahn breit genug ist, kann die interne Kraft eines
PKWS, also seine Geschwindigkeit, voll ausgenutzt werden. Genauso verhält es
sich beim Prozessor. Was hilft eine hohe Taktfrequenz, wenn sich die Daten vor
dem Bus stauen.
Der Datenbus des Pentium ist doppelt so breit wie der seines Vorgängers: In
einem Takt können 64 Bit übertragen werden. Das sagt nicht viel Wir kommen
weiter, wenn wir die Bits in Bytes umwandeln. Das geht nicht ohne Rechnen Ein
Byte besteht aus 8 Bit und ist am besten mit einem Zeichen (nun Beispiel einem
Buchstaben) vergleichbar. Pro Takt kann also der Pentium-Bus 64: 8 = 8 Byte
verarbeiten Das können Befehle sein (1 Byte = 1 Befehl) oder Zahlen, wobei die
Byte-Länge einer Zahl von ihrer Genauigkeit abhängt. Aber glauben Sie nicht,
dass diese 64 Bit ausreichen! Der Datenbus bleibt bis auf weiteres der Engpass
eines jeden Mikroprozessors.
Doch weiter im Vergleich. Als erstes werden die Daten sozusagen kurzzeitgeparkt.
Dieser Kurzzeit-Parkplatz heißt bei einem Prozessor »Cache«. Dabei kann das
Bus-Interface, eine Art Bus-Verwaltung, unterscheiden, ob die Daten Zahlenwerte
oder Befehle darstellen.
Danach werden sie umgeleitet in den Code-Cache (Befehle) oder den Data-fache
(Zahlen). Beide Kurzzeitspeicher können bis zu 8 Kilo Byte (KB)
zwischenspeichern Eine solche Aufteilung würde im Kaufhaus etwa verschiedenen
Zufahrtswegen für Kunden und für Lieferanten entsprechen.
Noch eine Analogie: Die schmalen Wege im Kaufhausgelände entsprechen den
Leiterbahnen auf dem Chip. Sie entstehen durch Aufdampfen von
Aluminium-Schichten. Nehmen wir mm an, ein hereinkommendes Datum wäre ein
Befehl, der im Code-Cache abgelegt wurde. über einen besonders breiten Bus von
256 Bit holt sich der »Instruction Fetch« (=Befehls-Grabscher«) den Befehl
und legt ihn im »Prefetch Buffer« (Befehls-Zwischenspeicher) ab. jetzt muss
der Befehl entschlüsselt und ausgeführt werden, die eigentliche Arbeit des
Prozessors.
Dazu wird der Befehl mit einer internen Befehlstabelle verglichen - das entspräche
dem Nachschlagen im Whrenhaus-Katalog -, und zwar im Teil »Instruction Decode«
(Befehls-Interpreter). Danach wird der Befehl ausgeführt.
Da gibt es zwei Möglichkeiten. Denken Sie wieder an das Kaufhaus. Sie können
ein bestimmtes Möbelstück suchen, um es zu betrachten. Dazu brauchen Sie seine
»Adresse«, also Angaben, wo Sie es finden.
Das entspricht der »Adresse« im Mikroprozessor, mit der angegeben wird, wo und
in welchem Speicher eine Zahl zum Rechnen zu finden ist, oder der nächste
Befehl.
Oder aber Sie nehmen aus der Grabbelkiste irgendeinen Gegenstand, der zum
Sonderangebot gehört, und legen ihn in Ihren Einkaufswagen Wenn der Wagen nicht
ausreicht, dann nehmen Sie eben einen zweiten Das entspricht im Mikroprozessor
einem Rechenbefehl Beim Rechnen werden meist zwei oder mehr Zahlen miteinander
verknüpft (Ausnahme: Eine Zahl wird um eins erhöht). Diese Zahlen kommen in
sehr kleine, aber sehr schnelle Spezialspeicher, und die nennt mm »Register«.
Sie entsprechen dem Einkaufswagen: schnell, klein, wendig, aber nur für kurze
Zeit im Einsatz.
Es kann aber auch sein, dass ein Möbelstück vor der Lieferung noch bearbeitet
werden muss, indem es mm Beispiel im Kaufhaus zusammengebaut oder mit anderen
Elementen kombiniert wird. Auch dafür gibt es mm Entsprechung im
Mikroprozessor. Wenn mit Gleitkommazahlen gerechnet wird, dann steht dazu eine
eigene Einheit zur Verfügung, die »Floating Point Unit«
(Gleitkomma-Recheneinheit).
Sie ist darauf spezialisiert, Kommazahlen zu addieren, zu subtrahieren, zu
multiplizieren oder zu dividieren Außerdem sind in der Einheit Rechenwerke fest
verdrahtet, also im Silicium eingeschmolzen, die häufig gebrauchte Funktionen
berechnen, zum Beispiel die Wurzel ziehen oder einen Sinus ausrechnen Bevor Sie
zur Kasse gehen, ist Ihre Intelligenz gefragt: An welcher Kasse stelle ich mich
an, damit es am schnellsten geht?
Auch diese Überlegungen stellt der Pentium an. Die »Branch Prediction Logik«
(Verzweigungsvorhersage) überlegt, wo der nächste Befehl stehen könnte.
Normalerweise läuft ein Programm sequentiell, also ein Befehl folgt dem nächsten.
Doch jeder, der schon einmal programmiert hat (egal, in welcher Sprache), weiß,
dass es auch bedingte Sprünge gibt. Der nächste Befehl hängt dann von
Bedingungen ab, die zur der Zeit, in der das Programm geschrieben, wird, nicht
bekannt sind.
Aufgrund einer intern geführten Verzweigungsstatistik entscheidet der Prozessor
dann, welcher der nächste Befehl sein könnte. Untersuchungen ergaben: In 90
Prozent aller Fälle hat der Prozessor recht, und das beschleunigt die Ausführungsarbeit
für Befehle ganz erheblich.
Sind Sie endlich an der Kasse fertig, dann fahren Sie kurz vor die Laderampe,
packen alles ein und machen sich auf den Nachhauseweg. Die Laderampe entspricht
den Registern. Alle Daten, die dort zwischengespeichert werden, müssen das
Register schnell wieder verlassen, denn neue Daten warten bereits.
Zurück zum Auto. Haben Sie sich auch schon mal vor einer Waschstraße geärgert,
weil alles so lange dauert? Angenommen, es gibt fünf Waschgänge. Dann müssen
Sie normalerweise warten, bis das Auto vor Ihnen alle fünf Waschgänge
absolviert hat.
Erst dann kommen Sie an die Reihe. Dabei ginge alles viel schneller, würde man
die Autos im Fließbandverfahren abfertigen:
Wenn der erste Wagen den ersten Waschgang durchlaufen hat, kann bereits der
zweite diesen Platz einnehmen.
Genau die gleichen Überlegungen hat man bei der Ausführung von Befehlen durch
den Mikroprozessor angestellt und auch schon beim 80486 eingebaut. Ein Befehl
durchläuft normalerweise 5 Stufen, und zwar:
-
Stufe
1: Der Befehl wird aus dem Arbeitsspeicher, also vom Programm, hereingeholt.
-
Stufe
2: Seine Bedeutung wird entschlüsselt, der Befehl wird, wie man sagt,
decodiert oder interpretiert. Die Bedeutung wird durch Vergleich mit einer
internen Tabelle erkannt.
-
Stufe
3: Die Adresse für eine Zahl, die im Befehl vorkommt, wird berechnet. Es
wird also festgestellt, wo die Zahl im Arbeitsspeicher steht, die
beispielsweise bei einer Schleife um 1 erhöht werden soll. Diese Zahl
-
wird
dann in ein Register, also in einen schnellen Zwischenspeicher, übertragen.
-
Stufe
4: Der Befehl wird ausgeführt, also beispielsweise zu der Zahl im Register
eine 1 addiert.
-
Stufe
5: Das Ergebnis wird in den Speicher zurückgeschrieben.
Jetzt hat man das Konzept der »Pipeline« eingeführt. Eine Pipeline ist
eine Art Fließband für Befehle. Statt dass der Prozessor die fünf
Schritte abwartet, werden die Befehle der Reihe nach einfach durch die
Pipeline geschleust. Die Wartezeiten entfallen. Neu beim Pentium - Er hat
zwei Pipelines, und zu jeder Pipeline gehört ein eigenes Rechenwerk. Es
werden jeweils zwei Befehle gleichzeitig bearbeitet, wenn das möglich ist.
Das heißt, wenn sie nicht voneinander abhängen. Das erhöht die
Geschwindigkeit wieder um ein Stück.
Schließlich
verfügt der Pentium auch noch über interne Vorkehrungen für
Parallelverarbeitung von Programmen. Der Fachausdruck dafür: »Multi-Tasking«
oder »Multi-Processing« (mehrere Aufgaben werden gleichzeitig bearbeitet).
Dazu ist eine Art Kreuzungsregelgung mit Verkehrsampeln nötig. Denn wenn das
eine Programm Daten über den Bus anfordert und ein Register schreibt, dürfen
diese Hilfsmittel (»Ressourcen«) nicht anderweitig belegt werden, sonst gibt's
Konflikte, die zum berüchtigten Absturz des Computersystems führen. Solche Möglichkeiten
können aber nur Systeme ausnutzen, die zum Multitasking fähig sind. Das ist
derzeit nur das neue Windows NT und Unix.
Und wie geht es weiter? Der Nachfolger zum Pentium, der P6, ist schon in Arbeit,
dessen Nachfolger, der P7 wird gerade entworfen. Aber da tauchen einige
technische Schwierigkeiten auf. Zum Beispiel: Die Verbindungswege zwischen den
Transistoren sind beim Pentium 0,8 Mikrometer (:)
dünn. Ein Mikrometer ist ein tausendstel Millimeter. Die vielfältigen
Strukturen auf dem Chip werden durch Belichtung einer lichtempfindlich Schicht
erzeugt. Und in dieser Größenordnung macht sich der Wellencharakter des
Werkzeugs »Licht« bereits bemerkbar.
Es wird durch Beugungserscheinungen unscharf. Will man noch schmalere Wege einätzen
- und das maß man, wenn man die Packungsdichte weiter steigert -, dann muss man
ein anderes Werkzeug benutzen etwa UV-Licht, Elektronen- oder Röntgenstrahlen.
Doch es geht auch mit gewöhnliche Licht, und zwar mit Hilfe eines genialen
Tricks: Statt dass man die scharfen Kontur der Leiterbahnen auf das Silicium
projiziert entwirft man gleich ein verschwommen Bild (ein Beugungsbild, wie die
Physiker sagen). Dieses verschwommene Bild verschwimmt durch die Wellennatur des
Lichtes noch weiter - und wird damit wieder klar! Mit Licht kann man viel
zaubern.
So hoffen die Techniker, bis 0,6 oder gar 0,4 Mikrometer schmale Wege erzeugen können.
Das zweite Problem ist die Taktfrequenz. Bei etwa 90 MHz beginnen die
Rundfunkwellen. Auch hier taucht das gleiche Problem auf wie beim Licht:
Elektronenströme sind nicht mehr nur als Teilchenströme zu sehen; ihr
Wellencharakter muss ebenfalls berücksichtigt werden. Und da kommt eine Reihe
neuer Probleme auf die Techniker zu.
Eines der geringsten: Wie kann man den Chip abschirmen, damit er den normal
Rundfunkempfang nicht stört?
Schließlich macht auch die Hitze dem Chip zu schaffen. Bei einer so hohen
Dichte werden die Transistoren heiß; ausfallen darf aber kein einziger.
Vielleicht genügt ein richtig montierter Ventilator. Vielleicht aber muss der
Chip der Zukunft intern irgendwie gekühlt werden. Und das kann teuer werden.
Warten wir's ab!
Peter
Ripota
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