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Sophokles (um 497/496 v.
Chr. bis ca. 406/405 v. Chr.), griechischer Dramatiker. Neben Aischylos und
Euripides war er der größte Tragiker der griechischen Antike.
LEBEN
Sophokles wurde um 497/496 v. Chr. in Colonus Hippius (heute Athen) als Sohn
einer vornehmen Familie geboren und erhielt eine ausgezeichnete Ausbildung.
Als junger Mann wurde ihm die Ehre zuteil, jenen jugendlichen Chor zu
leiten, der den griechischen Triumph über die Perser in der Seeschlacht bei
Salamis besang. 468 v. Chr. besiegte der damals 28-jährige Sophokles mit der
(inzwischen verschollenen) Triptolemos-Trilogie im dramatischen
Agon-Wettstreit den dreißig Jahre älteren Aischylos, der bis dahin als
unbestrittener Meister der Tragödie gegolten hatte. Nach diesem Erfolg
gewann er den alljährlich in Athen stattfindenden Wettstreit der Dramatiker
etwa 20-mal hintereinander, bevor er 441 v. Chr. seinem Konkurrenten
Euripides unterlag. Zu den hohen politischen und kulturellen Ämtern, die
Sophokles innehatte, gehörten das des Schatzmeisters des Attischen Seebundes
(443/442 v. Chr.) und das des Strategen (441-439 v. Chr.). Außerdem machte
der Dichter den Kult des Asklepios in Athen populär und wurde deshalb nach
seinem Tod zum Heros stilisiert. Sophokles starb um 406/405 v. Chr. im
damals ungewöhnlich hohen Alter von etwa 90 Jahren. Zu seinem Freundeskreis
zählten der Historiker Herodot, dessen Geschichtsauffassung er entscheidend
prägte, und der Staatsmann Perikles. Vermutlich gehörte Sophokles zwischen
413 und 411 v. Chr. selbst zur Oligarchen-Regierung.
WERK König
Ödipus Mit König Ödipus schrieb Sophokles einen der bedeutendsten Klassiker
der Tragödienliteratur. Das eigentlich Tragische liegt hier im
Unschuldig-Schuldigwerden der Figur: Wie vom Orakel prophezeit, tötet Ödipus
unwissentlich den eigenen Vater und heiratet seine Mutter (Szenenphoto einer
Inszenierung des Habimah Theater, Israel).Culver Pictures
Sophokles schrieb mehr als 100 Dramen, von denen sieben vollständig und
zwischen 80 und 90 als Fragmente erhalten sind. Die sieben vollständig
erhaltenen Tragödien sind Aias, Trachiniai (Die Trachinierinnen), Antigone
(Antigone), die alle 442 v. Chr. aufgeführt wurden, Oedipus tyrannos (vor
425 v. Chr., König Ödipus), Elektra (zwischen 425 und 409 v. Chr.),
Philoktetes (409 v. Chr., Philoktet) und Oedipus epi kolono (Ödipus auf
Kolonos). Letztere wurde nach dem Tod des Dichters 401 v. Chr. zur
Aufführung gebracht. Ebenfalls erhalten ist ein großer Teil des Satyrspieles
Ichneutai (Die Spürhunde), das 1911 in Ägypten auf Papyrusrollen entdeckt
wurde. Als älteste der erhaltenen Tragödien gilt Aias: Sie wurde zwischen
455 und 450 v. Chr. verfasst. Vermutlich etwas später entstanden Die
Trachinierinnen und Antigone. In letzterer gestaltete Sophokles sein
Hauptthema – die selbstverschuldete Verstrickung des aus der Polis
ausbrechenden Menschen, der sein Schicksal herausfordert und auf Ratschluß
der Götter tragisch scheitert – besonders eindrucksvoll. Hier bestattet
Antigone gegen den anderslautenden Befehl des Herrschers von Theben, Kreon,
ihren gefallenen Bruder Polyneikes. Die Folge dieses eigenmächtigen Handelns
ist nicht nur Antigones eigener Tod, sondern auch der ihres Verlobten Hämon
(Kreons Sohn) und seiner Mutter Eurydike (Kreons Ehefrau).
Neben König Ödipus ist Antigone die wohl berühmteste Tragödie des
griechischen Dramatikers Sophokles (497/496-406 v. Chr.). Zugrunde liegt dem
Drama der Erlass des Königs von Theben, der es den Bewohnern der Stadt bei
Todesstrafe verbietet, den vor ihren Toren im Kampf gegen sie gefallenen
Polyneikes zu bestatten. Hier zitiert ist die Anfangspassage des Dramas, die
– als eine Art Prolog – aus einem Dialog der beiden Schwestern des Toten,
Antigone und Ismene, besteht.
In den Tragödien Aias, Die Trachinierinnen, Elektra und Philoktet wird
dieses Grundthema variiert. Aristoteles schätzte besonders den König Ödipus
und lobte in seiner Poetik dessen meisterlichen Aufbau und die Darstellung
der tragischen Ironie, bei der sich, in einer Umkehrung des Wortsinns, die
von den Protagonisten ausgesprochenen Sentenzen erfüllen. Im Zentrum der
Handlung steht der heldenhafte Bezwinger der Sphinx, Ödipus, der Schritt für
Schritt die vom Orakel prophezeite grauenhafte Wahrheit erkennen muss,
unwissentlich seinen Vater Laios erschlagen und mit Iokaste seine eigene
Mutter geheiratet zu haben („Der Mörder, den du suchst, das bist du
selbst”). In dem Stück Ödipus auf Kolonos söhnt sich der blinde und alt
gewordene Ödipus mit dem Schicksal aus, nimmt nach vielen Jahren selbst
gewählter Verbannung, während derer ihm nur seine Tochter Antigone die Treue
hielt, Abschied von der Welt und wird in den Hain der Götter aufgenommen.
Formal stehen die Tragödien des Sophokles zwischen dem Pathos eines
Aischylos und der ausgefeilten, psychologisch argumentierenden Rhetorik des
Euripides. Im Bereich der Dramentechnik sind einige Neuerungen auf Sophokles
zurückzuführen: So erhöhte er die Zahl der Choreuten von 12 auf 15,
reduzierte gleichzeitig die Bedeutung des Chors und führte einen dritten
Schauspieler ein, so dass sich nicht nur ein umfangreicheres
Handlungsgeschehen umsetzen ließ, sondern auch das Spektrum der Charaktere
ausgebaut werden konnte. Weiterhin brach er mit der seit Aischylos
etablierten Aufführungstradition der Trilogie und verfasste seine Tragödien
als dramaturgisch und inhaltlich geschlossene Einheiten. Auch wenn Euripides
für die Entwicklung des römischen und frühen europäischen Dramas ungleich
wichtiger wurde, so nahmen sich doch bereits frühzeitig zahlreiche Dichter
wie Seneca, Corneille und Racine in Bearbeitungen der Stoffe des Sophokles
an. Von einer Neubewertung zur Mitte des 18. Jahrhunderts zeugt nicht
zuletzt Gotthold Ephraim Lessings Trauerspiel Philotas (1759). Auch Heinrich
von Kleist übernahm in Der zerbrochene Krug (1811) das „detektivische”
Grundschema der sophokleischen Ödipus-Fabel.
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